Wird KI Content-Creator für Augmented- und Virtual Reality und löst die Content-Misere im Bildungsbereich?

Augmented- und Virtual Reality (AR/VR) sind digitale Schlüsseltechnologien, die aber noch keinen Massen-Durchbruch geschafft haben – es fehlt bei beiden Technologien seit vielen Jahren der Tür-Öffner, der Gamechanger bzw. die Killer-Applikation.

Lange Zeit war Google-Earth-VR der Geheimtipp. Man stelle sich ein Szenario vor, indem man über Google-Earth nicht nur Makro-Objekte wie Städte, Länder oder Landschaften virtuell besuchen kann, sondern auch Mikro-Objekte wie Shops, Kinos, Restaurants, usw. und dort auch buchen, einkaufen, oder anschauen kann. Das wäre eine weitere gewaltige Einnahmequelle für Google bzw. Alphabet. Hier könnte seitens Alphabets ein gewaltiges E-Commerce-Szenario entstehen, welches problemlos in Konkurrenz mit Amazon treten könnte. Doch das Szenario ist (noch) nicht gekommen, aus welchem Grund auch immer.

Noch schlechter ergeht es derzeit AR, obwohl die Hard- und Software sich dafür viel schneller und günstiger anschaffen lässt – meist reicht schon ein Smartphone. Pokémon Go war 2016 eine echte AR-Killer-Applikation, doch danach gab es keinen wirklichen Kassenschlager mehr. Die Entwicklung der derzeit technisch führenden AR-Brille Hololens 2 von Microsoft wurde im Oktober 2024 eingestellt. Anstelle eines Nachfolgers will Microsoft zukünftig mit Meta kooperieren.

Der VR-Markt hat in den letzten Jahren Fortschritte gemacht und zeigt ein kontinuierliches, aber schwaches Wachstum. Führende Anbieter sind derzeit Meta, Sony, Pico und Apple. Die Modelle von Meta, Sony und Pico unterscheiden sich zum Teil nur in wenigen Kriterien. Ausreißer ist hier Apple, deren VR-Brille derzeit bei ca. 4.000 Euro liegt und sich dadurch für Schulen nicht eignet.

Laut einer aktuellen Bitcom-Studie sind VR-Brillen in 16 % der deutschen Schulen zu finden. Betrachtet man den Lernprozess aus neurodidaktischer Sicht, dann ist dieser Wert viel zu gering. Jede Schülerin, jeder Schüler lernt anders. Eine gehirngerechte Lernumgebung berücksichtigt individuelle Lernstile und bietet differenzierte Lernmöglichkeiten, um den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden. Gehirngerechtes Lernen findet zu einem großen Anteil über unsere Sinne statt.

Sinne sind die Türen zur Welt!

VR bietet, eingebettet in Lernarrangements, ein konkurrenzloses immersives Lernen an. VR-Szenarien unterstützten gleichzeitig die visuelle (Sehen), auditive (Hören), haptische (Fühlen), taktile (Empfinden) und vestibuläre (Gleichgewicht) Wahrnehmung. Einige sehr wenige VR-Szenarien ermöglichen bereits die olfaktorische Wahrnehmung (Riechen), die Thermozeption (Temperatur), die Nozizeption (Schmerz) und die Propriozeption (Körperempfindung). Diese immersive Erfahrung hilft, komplexe Konzepte durch direkte Interaktion und Visualisierung besser zu verstehen. Kein anderes Medium ist in der Lage, den Lernprozess über so viele Sinne zu fördern!

Der Einsatz von VR in Schulen scheint auf den ersten Blick kostspielig, da hochwertige Hardware und Software sowie deren Wartung teuer sind. Auf den zweiten Blick relativieren sich die Anschaffungskosten, da nicht jede/r Schüler:in eine eigene Brille benötigt. Hier reicht ein Verhältnis von 4:1 (Personen:Brille) aus. Eine gute VR-Brille (bspw. die Meta Quest 3S) liegt derzeit bei ca. 350,00 Euro, eine gute VR-Applikation erhält man bereits ab 30,00 Euro (bspw. Eleven Table Tennis) – sodass man in der Summe bei ca. 100,00 Euro/Schüler:in liegt. Etwas aufwendiger ist die Wartung der Brillen. Setzt man schulseitig bspw. auf ein E-Scouts-Konzept (eine schulinterne Arbeitsgemeinschaft mit Schüler:innen und Lehrer:innen), dann kann auch dieses Hindernis leicht gelöst werden.

Lehrkräfte und Schüler:innen benötigen jedoch Zeit und Schulung, um die Technik effektiv kennen und nutzen zu lernen, was oft nicht gegeben ist. Gesundheits- und Sicherheitsbedenken wie Motion Sickness und die eingeschränkte Wahrnehmung der realen Umgebung stellen zusätzliche Herausforderungen dar.

Es mangelt jedoch massiv an speziell für den Bildungsbereich entwickelten Inhalten, was die sinnvolle Integration in den Unterricht erschwert. Die VR-Medien-Industrie setzt sowohl bei der Software als auch bei der Lizensierung auf den privaten Endkunden und nicht auf das Bildungssystem. Es gibt kaum Content, der sich problemlos in Lernszenarien integrieren oder anpassen lässt.

Hier könnte ChatGPT in Zukunft ein Gamechanger werden. Die Fähigkeiten des generativen KI-Tools ChatGPT sind hinlänglich bekannt, aber dass ChatGPT auch programmieren kann wissen noch nicht so viele Anwender:innen. ChatGPT beherrscht derzeit – Stand 11/2024 – über 15 Programmiersprachen, dazu gehören bspw. Python, HTML, CSS, Java, Javascript, C, C++, C#, SQL, PHP, Swift, Ruby …

ChatGPT könnte bei der VR-Entwicklung unterstützen, vor allem durch die Bereitstellung von Code, Anleitungen und Erklärungen für VR-Frameworks wie Unity mit C# und Unreal Engine mit C++. Es kann auch bei der Web-Entwicklung für VR mit WebXR und JavaScript sowie bei grundlegenden 3D-Interaktionen helfen. Die Erstellung und Integration von 3D-Modellen oder VR-spezifischen Interaktionen können ebenfalls durch ChatGPT unterstützt werden, jedoch sind praktische Tests auf realer Hardware notwendig. Obwohl ChatGPT – Stand heute – keine vollständigen VR-Anwendungen erstellen kann, kann es hilfreiche Tipps zur Strukturierung und zum Debugging geben. Die finale Umsetzung und Feinabstimmung erfordern jedoch oft praktische Erfahrungen und Anpassungen durch erfahrene Entwickler.

Die VR-Anwendungen Metaverse und Microsoft Teams Mesh könnten im Bildungsbereich tiefgreifende Veränderungen bewirken, indem sie immersive und interaktive Lernerfahrungen ermöglichen. Hier einige potenzielle Auswirkungen:

  • Virtuelle Klassenzimmer und Lernumgebungen:
    Im Metaverse könnten Schüler:innen gemeinsam an 3D-Umgebungen teilnehmen, die reale oder historische Orte simulieren, wie etwa das alte Rom oder das Sonnensystem. Teams Mesh könnte solche Umgebungen auch in hybride Lernszenarien bringen und die Zusammenarbeit verbessern, indem Schüler:innen in Form von Avataren miteinander interagieren
  • Personalisierte und interaktive Lernerlebnisse:
    Individuelles Lernen könnte durch immersives Lernen im Metaverse gefördert werden, sodass Schüler:innen komplexe Konzepte durch direkte Interaktion und Simulation besser verstehen. In Teams Mesh könnten Schüler:innen und Lehrer:innen gemeinsam an Projekten arbeiten und sie direkt in 3D erkunden und anpassen, was Lernen anschaulicher und nachhaltiger macht
  • Förderung der sozialen und emotionalen Entwicklung:
    Durch Avatare und virtuelle Interaktionen könnten Schüler:innen ihre sozialen Fähigkeiten und emotionale Intelligenz verbessern, indem sie in sicheren, virtuellen Szenarien Konfliktlösung und Teamarbeit üben
  • Zugänglichkeit und Chancengleichheit:
    Virtuelle Klassenzimmer im Metaverse oder in Teams Mesh könnten den Zugang zu hochwertigen Bildungsinhalten unabhängig von Ort und Ausstattung verbessern, sodass auch Schüler:innen in abgelegenen Gebieten Zugang zu erstklassigen Bildungsressourcen erhalten
  • Lehrerausbildung und -fortbildung:
    Lehrkräfte könnten selbst im Metaverse geschult werden, um den Einsatz immersiver Technologien zu erlernen und fortlaufend weiterzubilden. Teams Mesh könnte hierbei eine Plattform bieten, die Lehrkräften den Austausch bewährter VR- und AR-gestützter Unterrichtsmethoden ermöglicht.

Fazit:

Durch die Nutzung von AR und insbesondere VR im Bildungsbereich können Lehrkräfte den Unterricht dynamischer und effektiver gestalten und den Schüler:innen ein tiefgreifendes und nachhaltiges Lernerlebnis bieten. Vielleicht kann ChatGPT die bis jetzt fehlenden AR/VR-Lernumgebungen in naher Zukunft durch einfache Texteingaben in die notwendige Programmierung überführen und die Content-Lücke im AR/VR-Bereich füllen.

 

Fortbildungsreihe my eWorld

Nehmen Sie gerne teil am kostenlosen Workshop aus der my eWorld-Fortbildungsreihe:

Wird KI Content-Creator für Augmented- und Virtual Reality und
löst die Content-Misere im Bildungsbereich?

Datum:

28. November 2024, 13:30 Uhr bis ca. 15:00 Uhr

als Online-Konferenz und auch in Präsenz im Erich-Gutenberg-Berufskolleg Köln, Modemannstr. 25

Dort können neben den Meta-Brillen Quest 2 und der Sony VR-Brille auch die VR-Komponenten Icaros und Icaros Cloud ausprobiert werden. Weitere VR-Brillen (Windows MXR, Pico, Oculus Rift und Valve) stehen zur Ansicht zur Verfügung.

        

Anmeldungen bitte an: dsteppuhn@smartschool.education

Picture of Detlef Steppuhn

Detlef Steppuhn

In der Zeitspanne von 1993 bis Juli 2024 unterrichtete ich am Erich-Gutenberg-Berufskolleg Köln in IT, Bürokommunikation und E-Commerce. Bis zum Sommer 2024 füllte ich die Funktionsstelle Leiter für neue Medien und Technologien aus und bemühte mich in diesem Rahmen, die Digitalisierung am Erich-Gutenberg-Berufskolleg voranzutreiben. In meinem Buch "SmartSchool – Die Schule von Morgen" & meinem Blog teile ich meine Vision einer modernen Bildung.

Weitere Beiträge von mir:

Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema?

Hinterlasse einen Kommentar