Diktieren KI-Sprachmodelle in Zukunft unser Leben?

Die Einzigartigkeit und Bedeutung von Sprache

Die einzigartige Kombination aus Anatomie, Neurologie und Sozialem hat im Laufe der Evolution der Menschheit die Sprache entstehen lassen. Unter allen Lebewesen auf unserem Planeten ist die Sprache das Kriterium, was uns von allen anderen Lebewesen am meisten unterscheidet.

Neben der verbalen Sprache, die Wörter und Sätze nutzt, um Informationen zu übermitteln, ist die non-verbale Sprache eine weitere Säule der Kommunikation. Die non-verbale Sprache umfasst alle Formen der Kommunikation, die nicht auf Worten basiert. Dazu gehören Körpersprache, Gesichtsausdrücke, Gesten, Augenkontakt, Berührungen und sogar die Nutzung des Raumes (Proxemik).

Sprachbeherrschung und damit verbunden Lesen und Schreiben ist eine wesentliche Säule im heutigen Lernprozess. Mangelnde Sprachbeherrschung, Defizite im Lesen und im Schreiben lässt Lernen und auch Kommunikation scheitern.

Sprache und Schrift – die Grundlagen unserer Kultur – sind bereits einem starken Wandel unterlegen. Sprache erfährt eine Vermischung von Text und Bild bspw. durch Emojis, die zusätzlich noch Emotionen oder Gefühle vermitteln. Hier entsteht ein neues Sprachregister, die „Messenger-Sprache“. Sie nutzt Emojis, Akronyme und verzichtet auf sprachliche Richtigkeit. Es erfolgt die Nutzung weniger komplexer Sätze, Satzzeichen werden vernachlässigt. Immer mehr Abkürzungen werden genutzt, um die Kommunikation schneller und effizienter ablaufen zu. Hierzu findet man bereits komplette Wörterbücher bzw. Abkürzungsverzeichnisse im Internet. Die Globalisierung führt zu auch einer Vermischung von mehreren Sprachen und der Konstruktion neuer Wörter (Anglizismen und Neologismen).

Die Schreib-, Lese- und Sprachkompetenzen nehmen insbesondere bei jungen Menschen immer stärker ab. Grund dafür sind zum einen die Social Media-Plattformen, in denen oft die begrenzte Sprachvielfalt und eine Verkürzung der Sprache gelebt wird. Aber auch visuelle Medien wie Streaming- (Netflix) und Videoplattformen (YouTube) fördern den Abbau von Schreib- und Lesekompetenzen. Digitale Sprachassistenten wie Alexa, Siri, Google oder Bing, Übersetzer wie DeepL oder Google Translator und Sprachmodelle auf der Basis von NLP – wie derzeit GPT von OpenAI oder Gemini von Google – werden die derzeitigen Sprachkompetenzen der Menschheit verändern. Hier wird aufgrund der fehlenden Schreibmöglichkeiten oft auf Sprachnachrichten oder einer verkürzten Schreibweise in Mails, Messengers oder Blogs gesetzt. Das begründet unter anderem den verstärkten Einsatz von Stift-fähigen Tablets und den Einsatz von Hardware-Tastaturen im Unterricht anstatt von Sprachsteuerung und virtuellen Tastaturen.

Auch die Kommunikation innerhalb unserer Gesellschaft verändert sich drastisch durch die zentrale Stellung des Smartphones bzw. ergänzender digitaler Endgeräte im Kommunikationsmodell. Die Kommunikation der jungen Generationen geht weg von face-to-face hin zu digitaler Kommunikation über die Social-Media-Plattformen. Kommunikation verläuft immer mehr indirekt und asynchron.

Ersetzt werden die notwendigen Sprachkenntnisse durch die Nutzung von Spracherkennung und Künstlicher Intelligenz, beide zusammen erzielen eine tadellose Rechtschreibung und Ausdrucksfähigkeit.

Simultanübersetzer werden der Notwendigkeit der Fremdsprachenbeherrschung und der Sprachenvielfalt ein Ende bereiten. Schülerinnen und Schüler werden sich nicht die Mühe machen qualvoll in mehreren Jahren eine Fremdsprache zu erlernen, wenn sie dies in Sekundenschnelle durch einen „Knopf im Ohr“ (SmartInEar mit Internetverbindung und einer KI-Übersetzer-Software) realisieren können.

Sprachbildung und Sprachförderung können durch die vorhandenen digitalen Medien (digitale Endgeräte, humanoide Roboter) und Technologien (text2speech, speech2text, Sprachmodelle wie GPT und Übersetzer wie DeepL) unterstützt werden. DeepL- und Google-Übersetzer ermöglichen heute bereits sehr gute Wort für Wort-Übersetzungen. In Kombination mit Text-to-Speech-Plugins ermöglichen sie im Unterricht eine Kommunikation zwischen Fremdsprachlern bzw. Migranten und fördern das Sprachverstehen und die Sprachbildung.

Humanoide Roboter können auch non-verbal kommunizieren und Emotionen und Spaß in den Lernprozess integrieren. Das 1:1-learning mit einem Roboter nimmt Schülerinnen und Schülern auch Hemmungen, nicht gefestigte Fremdsprachen auszuüben im Gegensatz zur Sprach-Teilnahme in einem Klassenverband.

Digitale Sprachmedien, egal ob es sich um Übersetzer, Vokabeltrainer oder Sprachtrainer handelt, ermöglichen ein individuelles Lernen im und außerhalb des Unterrichts.

Einzelne Studien belegen, dass die digitale Kommunikation die Sprachgewandheit fördert.

Was oft übersehen wird: Digitalisierung und Sprache beinhalten immer einen politischen Aspekt – beide haben Einfluss auf die genutzten Informationswege und den Informationsinhalt.

Zukunft der Sprache

Neue bildgebende Verfahren auf der Basis von Computertomografie (CT), Positronen-Emissions-Tomografie (PET), Magnetresonanz-Tomografie (MRT), Elektroenzephalografie (EEG), Elektroneurografie (ENG) oder Elektromyografie (EMG) ermöglichen neue Erkenntnisse, um dem Gehirn beim Denken, bzw. beim Sprechen, Lesen und Schreiben zuzuschauen.

Wird gesprochene Sprache weiterhin notwendig sein, um Kommunikation zu betreiben?

Vielleicht!

Noch arbeiten unsere Gehirne bzw. unsere Gedanken autonom – sie sind geschlossene Systeme, die eine Kommunikation nur durch (verbale und non-verbale) Sprache ermöglichen.

Telepathie (Gedankenübertragung)

Telepathie bezeichnet die vermeintliche Fähigkeit, Gedanken, Gefühle oder Informationen von einem Individuum auf ein anderes zu übertragen, ohne dass durch gesprochene Sprache kommuniziert wird. Die Idee mit Gedankenübertragung zu kommunizieren ist bereits sehr alt und wird sehr oft beiläufig belächelt. Doch gerade die bildgebenden Verfahren ermöglichen es mit Hilfe von Robotik und künstlicher Intelligenz bahnbrechende Ergebnisse zu realisieren. Gedankenübertragung in den Kommunikationsmodellen L2M und M2L rückt somit in greifbare Nähe. Wörter werden im Gehirn in einem neuronalen Netz gespeichert. Kann man dieses neuronale Netz analysieren, dann ist es möglich ein Wort in ein neuronales Netz und wieder zurück in ein Wort zu transformieren (neuronales Wörtbuch).

Erste Erfolge mit einem Hirnscanner erzielte Jack Gallant von der Universität of California bereits im Jahr 2016. Neuere Meldungen aus der Hirnforschung zeigen beachtliche Erfolge – so soll es Forschern im August 2023 gelungen sein, einen Pink-Floyd-Song aus Gedanken in echte Töne zu übersetzen. Ein Mensch hört einen Song, ein Computer schaut dem Menschen beim Zuhören zu – und übersetzt dessen Gedanken wieder zurück in Musik. Noch erstaunlicher war die Meldung im Januar 2024 indem Forscher mitteilten, dass es einer KI erstmalig gelungen war Gedanken von Menschen mit einer Genauigkeit von 80% zu identifizieren und in Text zu übersetzen.

Telekinese (Bewegung von Gegenständen durch Gedanken)

Telekinese, oft auch als Psychokinese bezeichnet, ist die vermeintliche Fähigkeit, materielle Objekte mit der Kraft des Geistes oder des Bewusstseins zu bewegen oder zu beeinflussen, ohne physischen Kontakt oder andere physikalische Mittel.

Objekte durch Gedankenkraft zu bewegen wird höchstwahrscheinlich erst in weiter Zukunft durch den Einsatz von Supraleitern und Magnetfeldern möglich sein – ist physikalisch aber realisierbar. Heute ist es aber bereits möglich, Objekte durch Gedanken mittels eines Roboters oder eines Avatars zu bewegen.

Das Walking Again Project ermöglichte 2014 einem querschnittsgelähmten Menschen mit Hilfe eines Exoskeletts den Anstoß auf der Fußball-Weltmeisterschaft durchzuführen. Das Brain-Communication-Interface vom Unternehmen Neuralink lässt 2024 einen Gelähmten per Gedanken Schach spielen. In Kombination mit dem neuen humanoiden Roboter von Tesla, dem Teslabot Optimus Gen 2, sollen Gelähmte in Zukunft wieder aktiver am Leben teilnehmen können (sowohl Neuralink als aus Tesla sind Unternehmen von Elon Musk).

Kommunikation mit anderen Lebewesen

Aufgrund der Mächtigkeit der neuen Transformer-Sprachmodelle (bspw. ChatGPT oder Gemini) versprechen sich Wissenschaftler die Möglichkeit einer Sprach-Kommunikation mit anderen intelligenten Lebewesen. Ein erstes Projekt dazu ist das CETI-Projekt (Cetacean Translation Initiative), welches versucht die Sprache von Pottwalen zu verstehen und zu übersetzen. Eine aktuelle Studie von der Hebräischen Universität Jerusalem zeigt, dass Menschen und Wale die gleichen Sprachmuster verwenden.

Die Auswirkungen dieser Möglichkeiten sind für die Menschheit nicht abschätzbar.

Ausblick

Die Bedeutung, Verbreitung und der Einfluss von NLP-Sprachmodellen wie ChatGPT, Gemini, Grok oder DeepSeek auf Sprache und Sprachkompetenzen nimmt sowohl in der Gesellschaft als auch in der Schule von Tag zu Tag zu. Sprachmodelle in Form persönlicher, KI-gestützter Assistenten (personal intelligence = PI) werden in naher Zukunft unseren Alltag organisieren und bestimmen, sowohl im Beruflichen, im Privaten als auch im Schulleben.
Sollten hier seitens der Politik oder des Bildungssystems keine ethischen Leitplanken eingebaut werden, dann werden Sprachmodelle in Form persönlicher oder individueller Assistenten bzw. besser gesagt die Anbieter der Sprachmodelle, unser Leben diktieren. Wir werden in der Filterblase oder Echokammer der Anbieter enden und die reale Welt nicht mehr wahrnehmen können oder wollen.

Der Verlust von Sprachkompetenzen – dazu gehören auch die Schreib- und Lesekompetenzen – werden durch andere Kompetenzen ersetzt werden müssen. Dazu gehören bspw. die Kompetenzen, die Informationsflut der Digitalisierung selbst und besser zu filtern als die PIs und durch Fakten und Quellanalysen zu überprüfen – falls die Möglichkeiten dazu dann noch zur Verfügung stehen.

Sprache wird sich mit Telepathie und irgendwann später auch mit „mittelbarer“ Telekinese durch Roboter und Avatare verschmelzen. Schülerinnen und Schüler werden zukünftige Lernplattformen und digitale Endgeräte mit ihren Gedanken steuern. Menschen und Künstliche Intelligenzen werden miteinander verschmelzen.

Doch Sprache wird als Ordnungsmittel im Gehirn zum Erkennen der Welt (innerer Monolog) und zur Kommunikation (äußerer Dialog) innerhalb der Gesellschaften zwingend notwendig sein.

Ohne Sprache und Kommunikation werden das Leben und die Welt still und leblos sein. Mit dem Sprachverstehen anderer Lebewesen wird die Welt eine völlig andere werden!

 

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Detlef Steppuhn

In der Zeitspanne von 1993 bis Juli 2024 unterrichtete ich am Erich-Gutenberg-Berufskolleg Köln in IT, Bürokommunikation und E-Commerce. Bis zum Sommer 2024 füllte ich die Funktionsstelle Leiter für neue Medien und Technologien aus und bemühte mich in diesem Rahmen, die Digitalisierung am Erich-Gutenberg-Berufskolleg voranzutreiben. In meinem Buch "SmartSchool – Die Schule von Morgen" & meinem Blog teile ich meine Vision einer modernen Bildung.

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