Mensch 4.0 – Werden KI und der Mensch miteinander verschmelzen und ein neues Menschenbild erschaffen?

Kaum eine technologische Entwicklung hat in den letzten Jahren so viel Aufmerksamkeit erhalten wie die Künstliche Intelligenz (KI). Dabei rücken zunehmend Fragen in den Mittelpunkt, die weit über technische Aspekte hinausgehen: Inwieweit wird KI unser Selbstverständnis als Mensch verändern? Und welche Rolle wird sie künftig in Bildung, Gesellschaft und im individuellen Leben spielen?

KI im Schulalltag: Potenziale und Herausforderungen

Im schulischen Kontext steht die nächste Phase der Digitalisierung bereits in den Startlöchern: Der Einsatz sogenannter KI-Agenten. Diese Systeme sind darauf ausgelegt, Lernprozesse individuell zu begleiten und zu optimieren. Dabei handelt es sich nicht mehr nur um Werkzeuge zur Unterstützung, sondern um aktive digitale Lernpartner, die auf Basis individueller Daten handeln können.

KI-Agenten könnten zukünftig:

  • den Lernstand von Schülerinnen und Schülern kontinuierlich erfassen,
  • Zeit- und Aufgabenmanagement übernehmen,
  • Rechercheprozesse und Wissenszugänge effizient gestalten,
  • multimediale und mehrsprachige Lerninhalte bereitstellen,
  • Kommunikation und Zusammenarbeit im Lernprozess fördern,
  • emotionale und mentale Unterstützung bieten,
  • Lernschwierigkeiten frühzeitig erkennen und passende Maßnahmen vorschlagen,
  • Lernfortschritte analysieren und differenzierte Förderangebote ermöglichen.

Diese Entwicklung wirft grundsätzliche Fragen für die Rolle von Lehrkräften auf: Wie verändert sich das Berufsbild, wenn KI viele Aufgaben im Unterricht übernimmt? Wie bleibt pädagogisches Handeln im Zentrum, wenn Lerninhalte zunehmend individuell, dynamisch und automatisiert vermittelt werden? Und: Bleibt der Bildungsauftrag an staatliche Curricula gebunden oder entwickeln sich parallel dazu individualisierte Lernpfade?

Technologische Verschmelzungen: Neue Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine

Der technologische Fortschritt verläuft nicht isoliert. KI wird zunehmend mit anderen Schlüsseltechnologien wie Robotik, Virtual Reality, Big Data und Biotechnologie vernetzt. Diese Entwicklungen haben das Potenzial, Schule, Gesellschaft und menschliches Zusammenleben grundlegend zu beeinflussen.

Ein zentrales Forschungsfeld ist derzeit die Verbindung von KI mit biologischen Systemen:

  • Neuromorphe Systeme und bio-inspirierte KI orientieren sich an der Struktur und Funktionsweise des menschlichen Gehirns. Ziel ist es, lernfähige Systeme zu entwickeln, die dem menschlichen Denken näherkommen.
  • Gehirn-Computer-Schnittstellen (Brain-Computer Interfaces, BCI) ermöglichen eine direkte Kommunikation zwischen Gehirn und Maschine. So wurde einem gelähmten Patienten durch ein implantiertes BCI ermöglicht, allein durch Gedankensteuerung ein digitales Schachspiel zu bedienen – ein Meilenstein, unter anderem vorangetrieben vom Unternehmen Neuralink.

Darüber hinaus gewinnt die KI-gesteuerte Synthetische Biologie an Bedeutung. Hierbei wird KI genutzt, um neue biologische Systeme zu entwerfen – etwa genetisch modifizierte Mikroorganismen. Die sogenannte CRISPR/Cas-Technologie erlaubt gezielte Eingriffe ins Erbgut und könnte langfristig zur Entwicklung neuer Therapien oder biologischer Anwendungen führen.

Gesellschaftliche Visionen und ethische Fragestellungen

Ein besonders weitreichender Diskussionsstrang findet sich im Transhumanismus – einer Denkweise, die den Einsatz von Technologie zur Erweiterung menschlicher Fähigkeiten befürwortet. Zielvorstellungen wie ein deutlich verlängertes Leben, digitale Bewusstseinsspeicherung oder die Verschmelzung von Gehirn und Internet werfen komplexe ethische Fragen auf:

  • Wird es möglich sein, Wissen direkt ins Gehirn zu übertragen?
  • Wie verändert sich Lernen, wenn kognitive Fähigkeiten technologisch erweitert werden?
  • Welche Aufgaben behalten Schulen in einer Gesellschaft, in der Informationen nicht mehr „gelernt“, sondern direkt abgerufen werden könnten?

Zudem stellt sich die grundsätzliche Frage, ob Eigenschaften wie Bewusstsein, Kreativität oder soziale Intelligenz rein menschlich bleiben – oder ob KI-Systeme diese Fähigkeiten in Zukunft ebenfalls entwickeln können.

Fazit

Die Verbindung von KI und Biologie eröffnet neue wissenschaftliche Perspektiven und stellt gleichzeitig Bildung, Gesellschaft und Ethik vor tiefgreifende Herausforderungen.

Obwohl KI-Systeme im medizinischen und gesundheitsbezogenen Kontext durch den EU AI Act teilweise reguliert worden, sind KI-Anwendungen im Bereich der Biotechnologie – insbesondere in Forschung und Entwicklung wie etwa bei synthetischer Biologie, Gehirn-Computer-Schnittstellen oder Transhumanismus – bislang nicht explizit berücksichtigt. Sie wurden schlichtweg vergessen. Damit bleibt ein bedeutender Innovationsraum derzeit ohne spezifischen rechtlichen Rahmen!

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Detlef Steppuhn

In der Zeitspanne von 1993 bis Juli 2024 unterrichtete ich am Erich-Gutenberg-Berufskolleg Köln in IT, Bürokommunikation und E-Commerce. Bis zum Sommer 2024 füllte ich die Funktionsstelle Leiter für neue Medien und Technologien aus und bemühte mich in diesem Rahmen, die Digitalisierung am Erich-Gutenberg-Berufskolleg voranzutreiben. In meinem Buch "SmartSchool – Die Schule von Morgen" & meinem Blog teile ich meine Vision einer modernen Bildung.

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