Datensicherheit & KI – Freunde oder Feinde?

Die kommende Welle der Künstlichen Intelligenz (KI) – das bedeutet generative KI in jedem digitalen Endgerät (IoT/IoA – Internet of Things/Internet of Anything) und „Anywhere in the Cloud“ – wird nicht nur unsere Gesellschaft disruptiv verändern, sondern auch unser Bildungssystem auf den Kopf stellen. Die Welle ist nicht nur schnell, sie wird auch immer komplexer und unsichtbarer. Die Schlüsseltechnologien der Digitalisierung folgen derzeit dem „Gesetz des sich beschleunigten Nutzen“ (Law of Accelerating Returns) nach Ray Kurzweil, das besagt, dass verschiedene Technologien sich gegenseitig mit unvorhersehbaren Auswirkungen beeinflussen.

„In wenigen Jahren wird KI in der Lage sein, über dieselbe Welt wie wir zu sprechen, über sie nachzudenken und in ihr zu handeln“,
Mustafa Suleyman

Was bedeutet das für unsere Daten?

Bis vor kurzem haben wir Daten und Inhalte erstellt und dem Internet (besser gesagt den Global-Playern) meist kostenlos zur Verfügung gestellt und gegenseitig konsumiert. Seit kurzem ist es aber auch möglich, Inhalte wie Texte, Bilder oder Videos über KI-Tools generieren zu lassen und darüber auch mediale Identitäten zu erstellen.
Das wird dazu führen, dass wir bald nicht mehr wissen, was noch echt und was unecht ist – unabhängig davon, ob es sich um private oder öffentliche Daten handelt. Trolle, Fakes und Desinformation sind heute bereits ein fester Bestandteil des Internets – KI wird diesen Anteil mit großer Geschwindigkeit und entsprechender Auswirkung vergrößern. Das wird dazu führen, dass Hass, Cybermobbing, Misstrauen in die Politik und populistische Bewegungen weiterwachsen werden.

 

„Genießen Sie das Echte, ​solange es noch erkennbar ist!“​,
Barbora Centik​

 

Schadsoftware wie bspw. Viren, Würmer, Trojaner oder Ransomware sind autonome Softwaresysteme, die sich ohne Fremdsteuerung vervielfältigen und bis zum heutigen Tage schwere wirtschaftliche und politische Schäden verursacht haben. Eine Liste aller verursachten Schäden seit der Existenz von Schadsoftware wäre sehr, sehr lang und viele Schäden wurden bis heute aus Imagegründen gar nicht der Öffentlichkeit mitgeteilt. Schutzsoftware wie Firewalls, Intrusion Detection und Virenscanner liefern sich seit vielen Jahren einen Kampf mit Schadsoftware und sind meist nur zweiter Sieger. Was passiert, wenn in Zukunft KI-gestützte Cyberattacken stattfinden werden?

Bislang waren Schulen und Bildungssysteme kein lohnenswertes Ziel professioneller Hacker. Es gab nur wenige Cyberattacken die meist nur darauf aus waren, Daten zu verschlüsseln und gegen Bezahlung wieder frei zu geben. Doch was wird passieren, wenn man Transformer-Modelle wie ChatGPT dafür nutzen kann, autonome Schadsoftware zu erstellen? Programmieren kann ChatGPT schon heute. Was wird passieren, wenn jede Schülerin, jeder Schüler und auch jede Lehrerin und jeder Lehrer sich ein autonomes Schadprogramme erstellen kann?

Werden die kommunalen Rechenzentren – auf denen die meisten Schul-Lernplattformen zur Verfügung gestellt werden – technisch und fachmännisch in der Lage sein, KI-Cyberattacken abzuwehren? Schon zu Corona-Zeiten hatten manche Rechenzentren Probleme die Verfügbarkeit und Stabilität zu gewährleisten – und hier war keine Schadsoftware der Verursacher, sondern die Übeltäter waren Schülerinnen und Schüler mit mehr Zugriffen auf die Lernplattform aufgrund von Distanzunterricht.

Oder müssen wir an dieser Stelle unsere Bedenken gegen professionelle Rechenzentren der Big Player Microsoft, Amazon oder Google & Co zurückstellen und die Lernplattformen dieser Anbieter einsetzen? Diese Unternehmen zeigen seit Jahren das sie technisch und fachmännisch in der Lage sind ihre Anwendungen und Daten zu schützen. Dies geschieht natürlich mit einem weitaus höheren technischen und menschlichen Aufwand als in kommunalen Rechenzentren.

Und mit Technik und Woman-/Manpower alleine wird man KI-Cyberattacken in und auf Schulen auf Dauer nicht aufhalten können.

Notwendig wird an dieser Stelle ein Datenschutz- und Sicherheits-Konzept was vor unberechtigten Zugriffen auf Schuldaten schützt. Eine mögliche Lösung wäre bspw. das Datenschutzkonzept Solid von Tim Berners-Lee.2 Die Design-Idee von Solid liegt darin, Informationen so zu nutzen und zu teilen, dass die Privatsphäre der Schülerinnen und Schüler. Die Lernenden speichern bei der Anwendung von Solid ihre persönlichen Daten in sogenannten „Pods“ (personal online data stores = persönliche Online-Datenspeicher) bei einem Hoster ihrer Wahl. Anwendungen wie bspw. Lernplattformen oder Notenprogramme, die von Solid authentifiziert werden, dürften Daten der Lernenden über eine API3 anfordern, wenn diese die Berechtigungen für die Anwendungen erteilen. Mit solch einer Datenschutzlösung wären auch alle Diskussionen um den Datenschutz in Lernplattformen überfällig. Leider findet man in Deutschland keinen einzigen Schulversuch, der sich um solch eine Lösung bemüht.

Eine zweite und wichtigere Säule gegen KI-Cyberattacken ist das Vorhandensein einer digitalen Humankompetenz bei allen Beteiligten. Zentrales Element muss die Förderung von Selbstlernen und Selbstorganisation hin zu einer digitalen Humankompetenz sein! Schüler müssen die Fähigkeit zu selbstbestimmtem Handeln und Entscheiden im realen und digitalen Raum besitzen. Ein „in der digitalen Welt sein“ benötigt eine eigene Weltanschauung mit demokratischen Werten und ein eigenes, gesundes Selbstverhältnis und -verständnis. – Wir müssen in der Lage sein kritisch zu denken. Dies kann jedoch nur durch die umfassende Förderung des individuellen Lernens jeden Schülers erreicht werden, wobei hier den digitalen Schlüsseltechnologien AR/VR, Robotik, Big Data und insbesondere KI im Unterricht ein wesentlicher Anteil zukommt.

Die Ereignisse der letzten Jahre (Pandemie, Klima-Katastrophen, Krieg in der Ukraine und in Israel) haben aber auch aufgezeigt, wie wichtig die Perspektive von und zum Menschen und das dazugehörige Menschenbild sind. Zum einen die durch den Corona-Virus verursachte (und notwendige) Isolierung der Menschen und das dadurch verlorengegangene Soziale. Zum anderen die soziale Zusammengehörigkeit und Unterstützung vieler Menschen durch viele (fremde) Menschen bspw. in der Hochwasser-Katastrophe und dem Krieg in Europa. All die Ereignisse und die Bedeutung der Digitalisierung in unserer heutigen und morgigen Welt führen zu einer Notwendigkeit einer digitalen Humankompetenz!

„Es wird an den Schulen und Universitäten über die Welt unterrichtet, wie sie war, nicht wie sie sein wird!“,
Vishal Sikka

 

Die Veränderung des menschlichen Lebens durch die Digitalität in der Gesellschaft (Arbeit 4.0) und den Unternehmen (Industrie 4.0), durch das Internet der Dinge in Form wachsender Umgebungsintelligenz und die Gefahr der Veränderung des Menschen durch einen durch Digitalisierung angepassten Menschen (Mensch 4.0/5.0) erfolgen jedoch viel schneller als die Digitalisierung von Schule (Bildung 4.0). Im Bereich der Digitalisierung sind die deutschen Schulen zurzeit stark von den führenden Technologieanbietern aus Amerika oder China abhängig/beeinflusst, da aus dem europäischen Raum keine vollwertigen, konkurrenzfähigen Produkte, Medien oder Konzepte zur Verfügung stehen.

„Die Visionen für unsere Zukunft kommen nicht von Staaten oder Politikern, sondern von Technologie-Unternehmen. Microsoft, Google, Facebook und andere sagen uns, wie unsere Zukunft aussieht!“
, Gerd Leonhard

 

Das darf nicht für Schule gelten! Die Visionen für die Schule von morgen – die SmartSchool – dürfen nicht von Unternehmen kommen. Die Visionen für die Schule von morgen müssen von uns (Lehrer und Lehrerinnen) kommen! Und sie müssen jetzt kommen und zeitnah umgesetzt werden. Ansonsten kommt der Moment, wo unsere Befürchtung und Angst, dass Deutschlands Schulen bei der Digitalisierung im internationalen Vergleich drastisch hinterherhinken, Wirklichkeit werden und wir nicht mehr die Chance haben, das zu korrigieren.

 

Fortbildungsreihe my eWorld

Nehmen Sie gerne teil am kostenlosen Online-Workshop „Datensicherheit & KI – Freunde oder Feinde?“ aus der my eWorld-Fortbildungsreihe – https://zukunft-der-schulen.de/my-eworld/

Datum: 25. September 2024, 13:30 Uhr bis ca. 15:00 Uhr

Anmeldungen bitte an dsteppuhn@smartschool.education

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Detlef Steppuhn

In der Zeitspanne von 1993 bis Juli 2024 unterrichtete ich am Erich-Gutenberg-Berufskolleg Köln in IT, Bürokommunikation und E-Commerce. Bis zum Sommer 2024 füllte ich die Funktionsstelle Leiter für neue Medien und Technologien aus und bemühte mich in diesem Rahmen, die Digitalisierung am Erich-Gutenberg-Berufskolleg voranzutreiben. In meinem Buch "SmartSchool – Die Schule von Morgen" & meinem Blog teile ich meine Vision einer modernen Bildung.

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