Big Data – Notwendigkeit oder Fundament für KI-gestütztes individuelles Lernen?

Die digitale Revolution hat seit einiger Zeit auch das Bildungswesen erreicht. Bisher spielte Big Data hierbei eine untergeordnete Rolle. Das ändert sich nun schlagartig im Kontext von KI-gestütztem individuellen Lernen.

Doch was verbirgt sich hinter dem Begriff, welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, und welche Chancen und Risiken bringt diese Technologie für den Bildungsbereich mit sich? Dieser Blog beleuchtet diese Fragen und gibt Lehrerinnen und Lehrern sowie Interessierten am digitalen Wandel eine fundierte Orientierung.

Was bedeutet Big Data im Bildungsbereich?

Im Kontext von Unterricht bezeichnet Big Data die Analyse und Nutzung großer Datenmengen, um Lehr- und Lernprozesse zu verbessern. Hierbei spielen generative KI-Modelle eine Schlüsselrolle, da sie aus Big Data lernen und diese Daten nutzen können, um neue Inhalte bereitzustellen und individuelle Lernprozesse zu fördern. Dadurch wird es erstmalig im Bildungssystem möglich sein, für jede Schülerin und jeden Schüler individuell angepasste Lerninhalte für jedes Fach, in jeder Sprache, in jedem beliebigen Medium, online oder offline zur Verfügung zu stellen. Jede Schülerin und jeder Schüler werden dafür nur ihre Daten zur Verfügung stellen müssen, d.h. ihren Lernstand, ihr bisheriges Wissen, ihre Daten aus Lernplattformen, Tests und Hausaufgaben, ihr Klickverhalten auf digitalen Lernmedien, den Interaktionen in Lernmanagementsystemen und vieles mehr.

KI-Systeme können durch diese Datenmengen Muster erkennen und individuell angepasste Lerninhalte oder Hilfestellungen anbieten. Der Schlüssel liegt in der Auswertung, die eine kontinuierliche Verbesserung von Lernmethoden und -strategien ermöglicht. Big Data und Machine Learning beschreiben dabei die Verarbeitung und Analyse dieser Datenmengen.

Voraussetzungen für den Einsatz von Big Data

Damit Big Data im Bildungswesen effektiv eingesetzt werden kann, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Das Bildungswesen bzw. die Schule benötigen eine leistungsfähige digitale Infrastruktur, dazu gehören schnelle Internetverbindungen, moderne Endgeräte und Cloud-basierte Lösungen für die Datenverarbeitung. Lehrerinnen und Lehrer sowie Bildungspersonal müssen geschult werden, um die Möglichkeiten von Big Data zu verstehen und sinnvoll anzuwenden. Dies reicht von der Interpretation der Daten bis zur Integration der Ergebnisse in den Unterricht.

Ein wesentlicher Aspekt in diesem Zusammenhang ist die Akzeptanz bei allen Beteiligten – von den Lehrkräften bis hin zu den Eltern. Dafür sind eine transparente Kommunikation und die Einhaltung ethischer und gesetzlicher Standards entscheidend. Die Speicherung und Verarbeitung der Daten muss DSGVO-konform sein. Dazu gehören klare Richtlinien für den Datenschutz, Anonymisierungstechniken und sichere Datenübertragungswege. Je nach dem Grad der Anonymisierung schwindet die Möglichkeit individuelles Lernen zu erkennen und zu fördern.
Notwendig wird an dieser Stelle ein Datenschutz- und Sicherheits-Konzept, was vor unberechtigten Zugriffen auf Schul- bzw. Schülerinnen- und Schülerdaten schützt. Eine mögliche Lösung wäre bspw. das Datenschutzkonzept „Solid“ von Tim Berners-Lee. Die Design-Idee von Solid liegt darin, Informationen so zu nutzen und zu teilen, dass die Privatsphäre der Schülerinnen und Schüler gewahrt wird. Die Lernenden speichern bei der Anwendung von Solid ihre persönlichen Daten in sogenannten „Pods“ (personal online data stores = persönliche Online-Datenspeicher) bei einem Hoster bzw. Internet-Anbieter ihrer Wahl. Anwendungen wie bspw. Lernplattformen oder Notenprogramme, die von Solid authentifiziert werden, dürften Daten der Lernenden über eine API (Programmier-Schnittstelle) anfordern, wenn diese die Berechtigungen für die Anwendungen erteilen. Mit solch einer Datenschutzlösung wären auch alle Diskussionen um den Datenschutz in Lernplattformen überfällig. Leider findet man in Deutschland keinen einzigen Schulversuch, der sich um solch eine Lösung bemüht. 

Der größte Vorteil von Big Data im individuellen Lernen stellt sicherlich die Möglichkeit einer individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler im Lernprozess dar. Durch die Analyse der Daten können Stärken und Schwächen einzelner Schülerinnen und Schüler frühzeitig erkannt werden. KI kann dann darauf basierend eine maßgeschneiderte Lernumgebung anbieten. Individuelles Lernen fördert die Motivation, da Lerninhalte an die Interessen und das Niveau der Lernenden angepasst werden kann. Durch die frühzeitige Erkennung von Problemen, wie z. B. sinkender Teilnahme oder Leistung, können gezielte Interventionen frühzeitig eingeleitet werden.

Lehrerinnen und Lehrer erhalten datenbasierte Einblicke in den Lernfortschritt ihrer Klassen, wodurch sie ihre Unterrichtsplanung besser an die Bedürfnisse der Schüler anpassen können.

Trotz der vielen Vorteile gibt es auch kritische Aspekte, die nicht außer Acht gelassen werden sollten. Die Erhebung großer personenbezogener Datenmengen birgt das Risiko von Datenmissbrauch. Unzureichender Schutz seitens des Bildungsträgers oder auch der Schülerin oder des Schülers könnte sensible Informationen in falsche Hände geraten lassen.

Die ständige Analyse des Lernverhaltens könnte bei Schülerinnen und Schülern das Gefühl erzeugen, überwacht zu werden, was das Lernklima und somit auch den Lernprozess beeinträchtigen könnte.

Die vermehrte Nutzung von KI in Form von Rechenleistung und Big Data in Form von Speicherplatz führt bereits heute zu einem globalen ansteigenden Energieverbrauch. Obwohl viele Wissenschaftler KI als möglichen Gamechanger bzw. als Klimaretter für den Klimawandel sehen, zeigen die aktuellen Nachrichten derzeit einen gegenläufigen Trend. Big Data und KI könnten – entgegen aller Hoffnungen – zum Klimakiller mutieren.

Eine Anfrage bei der KI-Maschine (ChatGPT oder Gemini) verbraucht ca. 0,003 Kilowattstunden Energie – und damit rund zehn Mal so viel wie eine Google-Suche. Der Energieverbrauch von Rechenzentren für KI-Anwendungen und andere Digitalisierungsprojekte wird in Europa einer Studie zufolge bis zum Jahr 2030 drastisch steigen. Der Strombedarf soll sich laut der Unternehmensberatung McKinsey voraussichtlich auf mehr als 150 Terawattstunden bis 2030 fast verdreifachen. Die Alphabet-Tochter Google plant aus diesen Gründen heraus den Kauf von kleinen modularen Atom-Reaktoren. Das erste Mini-Atomkraftwerk soll 2030 in Betrieb genommen werden, weitere sollen bis 2035 folgen, insgesamt gehe es um sechs bis sieben Kraftwerke. Weitere Tech-Giganten wie Amazon und Microsoft setzen wie Alphabet auf Kernenergie, um den wachsenden Energiebedarf ihrer KI-Rechenzentren zu decken. Die Kosten für diesen enormen Aufwand werden über kurz oder lang sicherlich an die Nutzer weitergegeben – für den Bildungsbereich bedeutet das dauerhafte Kosten für jede Schule bzw. für jede Schülerin und jeden Schüler und jede Lehrerin und jeden Lehrer.

Fazit

Big Data stellt zweifellos ein Fundament und eine Notwendigkeit für KI-gestütztes individuelles Lernen dar. Es bietet enorme Potenziale, die Bildung individueller, gerechter und effektiver zu gestalten. Die Integration von Big Data in die Lernprozesse bietet spannende Möglichkeiten, die weit über das klassische Bildungssystem hinausgehen. Neben der Förderung des gehirngerechten Lernens fördert Big Data auch das globale Lernen. Lernplattformen können durch Big Data globale Inhalte bereitstellen, sodass Schülerinnen und Schüler von weltweit führenden Expertinnen und Experten profitieren könnten.

Der digitale Wandel ist keine Frage des Ob, sondern des Wie. Big Data und KI ermöglichen eine kontinuierliche Anpassung von Lerninhalten, die Menschen in allen Lebensphasen unterstützen und somit auch das lebenslange Lernen begleiten könnte. Lehrerinnen und Lehrer stehen vor der Aufgabe, sich aktiv in diesen Wandel einzubringen und ihre Rolle als Vermittler von Wissen neu zu definieren – nicht als Ersatz für Technologie, sondern als deren wichtigste Ergänzung.

Mit einem verantwortungsvollen Umgang könnten Big Data und KI und die Bildung revolutionieren und transformieren zugunsten einer individuelleren und inklusiveren Lernkultur.

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Big Data – Notwendigkeit oder Fundament für KI-gestütztes individuelles Lernen?

Datum: 21. Januar 2025, 13:30 Uhr bis ca. 15:00 Uhr

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Anmeldungen bitte an: dsteppuhn@smartschool.education

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Detlef Steppuhn

In der Zeitspanne von 1993 bis Juli 2024 unterrichtete ich am Erich-Gutenberg-Berufskolleg Köln in IT, Bürokommunikation und E-Commerce. Bis zum Sommer 2024 füllte ich die Funktionsstelle Leiter für neue Medien und Technologien aus und bemühte mich in diesem Rahmen, die Digitalisierung am Erich-Gutenberg-Berufskolleg voranzutreiben. In meinem Buch "SmartSchool – Die Schule von Morgen" & meinem Blog teile ich meine Vision einer modernen Bildung.

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